Entwicklungsarbeit in Spanien
Im Juli 2022 war unser Projektteam erneut auf Exkursion in Andalusien auf der Farm unseres Kooperationspartners, dem Oliven-Landwirt und Landschaftspfleger Pedro. Pedro bewirtschaftet auf seinem circa 45 Hektar großen Landstück in einer biologischen und regenerativen Landwirtschaft Olivenbäume an, deren Früchte, die Oliven, bald schon den Grundstoff für unser nachhaltiges Olivenöl bilden sollen. Wir waren mit sieben Studierenden und unserer Professorin vor Ort und verbrachten insgesamt zehn Tage auf Pedros Farm inmitten der Olivenhaine und Umgebung. Das Thermometer kletterte unter der enormen Sonneneinstrahlung jeden Tag auf knapp 40°Grad Celsius und auch nachts kühlte es kaum herunter. Es fühlte sich an als könnten wir die zunehmende Erderwärmung spüren und erleben, wie es sich anfühlt, sich täglich vor der Sonne verstecken zu müssen. Obwohl Olivenbäume sehr resistent sind, schadet auch ihnen der Klimawandel auf verschiedene Arten. Ökologisch betrachtet birgt beispielsweise die Wasserknappheit in Spanien große Probleme sowie ein erhöhtes Aufkommen von Insekten, Milben und Viren, die den Früchten schaden, durch zu milde Winter. Wirtschaftlich betrachtet kämpfen spanische Traditionsbauern damit, dass durch die Erderwärmung und globale Wanderbewegungen, Olivenbäume auch in anderen Weltregionen abseits des Mittelmeerraums verbreiteter werden. Der Olivenanbau dort wird zunehmend von Investorengemeinschaften als industriell intensive Landwirtschaft und Produktion mit hohem Maschineneinsatz betrieben, die auch kapitalintensiv ist. Das sind die Gründe für die Ausweitung und ernsthafte Konkurrenz aus Übersee, gegenüber der immer noch kleinteiligen und überwiegenden Nebenerwerbslandwirtschaft des Olivenanbaus in den europäischen Mittelmeerländern. Doch trotz der extremen Temperaturen sahen Pedros Olivenbäume durch den nachhaltigen Anbau und Pflege im Kontrast zu angrenzenden konventionellen Feldern gesund aus, so als könne ihnen die Hitze nichts anhaben.
Der spezielle Anlass für diese Reise, war die Entwicklungsarbeit in Spanien. Wir wollten neue Kontakte für unser Partner:innen-Netz knüpfen und Pedro sowie seine Kolleg:innen mit dem Müller Javier und unserem deutschen Vertriebspartner, Conrad Bölicke von arteFakt, verbinden. Dafür luden wir Javier und einige andere Landwirt:innen aus der Umgebung auf Pedros Farm ein und veranstalteten eine Olivenölverkostung mit Conrad. Er teilte sein Wissen über die sensorischen Einflüsse verschiedener Reifestadien und Sorten der Olive sowie deren Abbauprozesse, die wichtig sind für eine hochwertige Verarbeitung. Ziel der Verkostung war es, mehr Wissen rund um die Sensorik und Vielfalt des Olivenöls zu schaffen und zu sehen, wie offen die spanischen Partner:innen für eine andere Form als der traditionellen Herstellung von Olivenöl sind. Regional und kulturell bedingt gibt es Vorlieben für bestimmte Geschmacksrichtungen des Öls, die aber international nicht unbedingt geteilt werden und nicht immer den Qualitätsgrad widerspiegeln, sondern eher dem, wie die Oliven schon immer geerntet und das Öl schon immer hergestellt wurde. Damit ein guter Austausch mit den spanischen Teilnehmenden erfolgen konnte, übersetzte nicht nur unsere Kommilitonin Emily fleißig Wort für Wort, sondern auch Claudia von arteFakt, die Conrad begleitet hatte und in die Thematik voll eingearbeitet ist. Die Verkostung endete erfolgreich in einem regen Austausch und Rückfragen anderer Landwirt:innen an Conrad.
Unser Team auf Pedros Olivenfeldern
Von der Steinfrucht zum Öl:
Zu Besuch in einer Olivenöl-Mühle
Außerdem besuchten wir gemeinsam mit Pedro und Conrad Javiers Mühle ‚El Molino de Colmenar‘ (zu Deutsch ‚Die Mühle von Colmenar‘). Dort teilten Conrad und Javier ihr Wissen zur Herstellung des Olivenöls mit uns und wir erfuhren alles über den Prozess, wie Olivenöl gewonnen wird. Anders als vielleicht vom Begriff ‚Mühle‘ abzuleiten ist, werden die Oliven, nachdem sie gewaschen und gesäubert sowie von Zweigen und Blättern getrennt wurden, nicht gemahlen, sondern geschreddert. Die Oliven fallen dazu in die sogenannte ‚Hammermühle‘ – einen geschlossenen Metallraum, in welchem sich ein Rotor mit drei Metallhämmern dreht, die die Oliven mitsamt Stein durch sehr schnelles Rotieren zerschlagen. Die Oliventeile bleiben so lange im Einzugsbereich der Hämmer, bis sie klein genug sind, um durch das umliegende Sieb zu gelangen. Anschließend wird die so gebildete Maische gerührt und durch zwei Zentrifugen geschleust. Die erste Zentrifuge, ein Dekanter, trennt die Maische entweder als Zwei-Phasen-Dekanter in Olivenöl und nassen Trester – Fruchtwasser, Fruchtfleisch und Steine – oder als Drei-Phasen-Dekanter in Olivenöl, Fruchtwasser und den Trester aus Fruchtfleisch und Steinen. Anschließend wird das Olivenöl in einer zweiten Zentrifuge, dem Separator einer Feinreinigung unterworfen. Hierbei werden Schmutzteile und noch feine Fruchtfleischteilchen entfernt. Wichtig während des gesamten Prozesses ist es, die optimale Temperatur zwischen 19-21° Grad Celsius konstant zu halten, um ein qualitativ einwandfreies Öl zu erhalten. Wir lernten außerdem, dass es hinsichtlich der Nachhaltigkeit im Prozess der Olivenölproduktion einige ausbaufähige Anknüpfungspunkte gibt, für die jedoch größtenteils noch keine technischen Lösungen existieren. Beispielsweise könnte das nach dem Waschen anfallende und dann gefilterte Olivenwasser für weitere Prozesse genutzt werden. Denkbar wäre hier das Wasser zur Bewässerung der Felder oder daraus extrahierte sekundäre Pflanzenstoffe als Nahrungsergänzungsmittel zu nutzen. Dies ist aktuell jedoch nicht möglich, da die übergegangen Polyphenole zur Bewässerung in zu hoher Konzentration vorliegen und damit der EU-Gefahrstoffverordnung unterliegen. Es gibt erste Gewinnungen und Angebote von Biophenol aus Oliven in kleinen Pipettenflaschen, die allerdings sehr teuer sind. Mit dem Verzehr einer grünen Paprikaschote lässt sich derselbe Effekt sehr viel kostengünstiger erlangen, da auch grüne Paprikaschoten sehr hohe Biophenolgehalte haben, genauso wie z.B. Blumenkohl. Die Olivenblätter haben einen leicht zitronigen Geschmack und können auch als Tee verwendet werden. Mit ihrem hohen Biophenolgehalt, der antioxidativ wirkt, gilt dieser Tee daher als gesundheitlich fördernd. Außerdem könnten Olivenkerne als Ausgangsmaterial für Pflanzenkohle und durch Verbrennung zur Energieerzeugung innerhalb der Mühle genutzt werden. Letzteres setzt sich schon langsam durch. Es gibt kleinere Anlagen, die die Steine aus dem Trester entfernen. Diese gebrochenen oder geschredderten Steine werden dann zum Heizen von Wirbelschichtöfen verwendet, zu Briketts gepresst oder z.T. auch lose in normalen Öfen verwendet.
Die Mühle; Selbstgemachte Paella mit Olivenöl; Pedros Farm inmitten seiner Felder
Für mehr Bewusstsein
Ein weiterer zentraler Punkt während der Zeit auf Pedros Farm war eine erneute gemeinsame Intentionsbildung und Identifikation mit unserem Projekt. In mehreren Sitzungen sprachen und diskutierten wir verschiedene Ansätze und Sichtweisen aufs Projekt. Dieser Austausch war sehr fruchtbar, da Lücken und Potenziale aufgedeckt wurden. So stellten wir fest, dass jedes Teammitglied unterschiedliche Erwartungen an die anderen Teammitglieder sowie an das Projekt hatte. Diese Tatsache möchten wir uns zukünftig zunutze machen und dies untereinander noch besser weiterentwickeln. Außerdem formulierten wir, welche Erwartungen externe Projektpartner:innen an uns haben könnten und wie wir diese in unsere eigene Identifikation und Kommunikation nach außen einbinden wollen. Zudem war die zentrale Erkenntnis: Die Bewusstseinsbildung ist unser Hauptprodukt; der Verkauf des Öls das Nebenprodukt. Das Öl ist somit das Medium, mit dem wir Bewusstsein dafür schaffen wollen, welchen Einfluss der Lebensmittelkonsum auf unsere Umwelt hat. Wir wollen dabei symbolisieren, wie eine klimaschonende Landwirtschaft aussieht und zeigen, dass die gegenwärtig dominierende Lebensmittelproduktion unsere Umwelt ausbeutet und klimabelastend ist.
Eine weitere Erkenntnis aus unseren Arbeitsphasen war, dass wir das Potenzial des Hochschulpublikums bzw. Netzwerks noch nicht erschließen. Zukünftig möchten wir unsere Zielgruppe konkretisieren und diese sukzessiv und organisch ausweiten. Zunächst wollen wir unser direktes Umfeld, sprich Studierende, vor allem aber auch Dozierende und Mitarbeitende der Hochschule Bochum, für uns als solidarische Kund:innen gewinnen, um an der Hochschule, unserem direkten Wirkungskreis, für mehr Bewusstsein und das Voranbringen von nachhaltigkeitsförderlichen Entwicklungen zu sorgen. Denn auch, wenn das Bewusstsein in unserem Studiengang und Umfeld vielleicht bereits groß ist, hat die Hochschule noch so viele weitere Studiengänge und Fachbereiche, welche vermutlich nur begrenzt in Berührung mit dieser wichtigen Thematik kommen. Das möchten wir zukünftig ändern, denn: